Wie sieht ein zyklusfreundlicher Arbeitsplatz aus?

Wie sieht ein zyklusfreundlicher Arbeitsplatz aus?

Zur Authorin:

Dieser Blogbeitrag wurde von einer der fembites Expertinnen geschrieben: Katharina Eggert in Zusammenarbeit mit Olivia Schneider (Ergotherapeutin und Praktikantin bei Work That Period). Weitere Informationen findest du hier

 

Immer mehr Unternehmen erkennen, dass die Förderung von Gesundheit und
Wohlbefinden der Mitarbeitenden ein zentraler Aspekt für die Wettbewerbsfähigkeit
ist. Doch während bereits vermehrt Maßnahmen und Programme zur
Stressbewältigung, einer gesunden Ernährung oder für mehr Bewegung angeboten
werden, bleibt ein entscheidender Bereich meist vernachlässigt: die Bedürfnisse von Frauen und menstruierenden Menschen am Arbeitsplatz. Doch wie sieht ein
zyklusfreundlicher Arbeitsplatz eigentlich aus?

 

 

Zyklusfreundliche Arbeitsplätze 101

Zunächst einmal sollte das physische Arbeitsumfeld darauf ausgerichtet sein, den
Bedürfnissen der Mitarbeitenden im Laufe des Menstruationszyklus und
insbesondere während der Periode gerecht zu werden. Hier geht es z.B. um den
Zugang zu Toiletten und Ruheräumen und die Bereitstellung von Periodenprodukten
und Wärmflaschen.

 

Darüber hinaus spielt auch das soziale Arbeitsumfeld eine entscheidende Rolle. Es
ist wichtig, wie offene und unterstützende Gespräche über Themen wie die
Menstruation geführt werden. Aktive Maßnahmen zur Bekämpfung von Vorurteilen
und Stigmatisierung sind unerlässlich, um ein Umfeld zu schaffen, in dem sich alle
Mitarbeitenden akzeptiert und respektiert fühlen.

 

Als dritter wichtiger Aspekt sind die Arbeitsbedingungen von Frauen und
menstruierenden Beschäftigten zu nennen. Hier ist vor allem Flexibilität gefragt, um
es ihnen zu ermöglichen, ihren Arbeitstag bei zyklusbedingten Beschwerden
anzupassen und sich um ihr körperliches Wohlbefinden zu kümmern. Dies kann
durch zeitliche und räumliche Flexibilität sowie die Möglichkeit, den
Arbeitsbelastungen anpassungsfähig zu begegnen, erreicht werden.

 

 

Die Debatte um den Menstruationsurlaub

Seit Spanien 2023 als erstes europäisches Land den Menstruationsurlaub eingeführt hat, der Frauen mit starken Periodenschmerzen bis zu drei zusätzliche freie Tage pro Monat ermöglicht, hat diese "Period Policy" eine kontroverse Debatte ausgelöst.

 

In Japan, Südkorea, Sambia und Indonesien gibt es die Möglichkeit,
Menstruationsurlaub zu nehmen, schon seit vielen Jahren. Einige Unternehmen, wie
Zomato in Indien und Coexist im Vereinigten Königreich und einzelne Städte wie z.B. Freiburg in der Schweiz bieten ihren Mitarbeitenden diese Flexibilität ebenfalls an.

 

 

Warum machen wir das nicht auch in Deutschland?

Dass eine rein gesetzliche Verankerung eines Menstruationsurlaubs kaum einen
Mehrwert bringt, zeigt das Beispiel Japan - hier haben Frauen bereits seit 1947 das
Recht auf eine bezahlte Freistellung während ihrer Periode. Aus einer 2021
durchgeführten Umfrage geht jedoch hervor, dass nicht einmal 10% der Befragten
diese Möglichkeit überhaupt in Anspruch nehmen, selbst bei starken Beschwerden.
Viele fühlen sich unwohl dabei, ihren männlichen Vorgesetzten darauf anzusprechen
oder zögern, da sie nur bei wenigen Kolleginnen mitbekommen, dass diese Option
genutzt wird. Manche machen sich Sorgen, dass sie ihr Team vor Ort im Stich
lassen.

 

In Ländern, in denen über die Einführung entsprechender Regelungen diskutiert
wird, tauchen immer wieder kritische Stimmen auf, die befürchten, dass ein
Menstruationsurlaub die Ungleichheit zwischen Männern und Frauen verschärfe, da
weniger Frauen eingestellt oder befördert würden. Manche sind der Auffassung,
Frauen sollten einfach die Zähne zusammenbeißen, schließlich seien die
Beschwerden nicht so schlimm und die Menstruation somit kein Grund, um am
Arbeitsplatz auszufallen.

 

Eine beschwerdefreie Periode - schön wär’s! Für Viele ist das jedoch Wunschdenken und die Realität leider eine andere.

 

Was müsste also passieren, dass Mitarbeitende sich empowered fühlen, während
ihrer Menstruation gut für sich zu sorgen und bei Bedarf tatsächlich zuhause zu
bleiben? Und warum geht uns das alle etwas an?

 

 

Zyklusaufklärung geht uns alle etwas an

Was hierbei auf breiter Ebene geschehen muss, nicht nur am Arbeitsplatz, ist eine
Sensibilisierung dafür, dass die Menstruation zwar für manche Menschen
beschwerdefrei verläuft, für andere jedoch mit Herausforderungen verbunden ist. Es
ist an der Zeit, dass wir uns von schädlichen Vorurteilen befreien, wie zum Beispiel
dem Glauben, dass der Menstruationszyklus zu Nachteilen führt oder Frauen und
menstruierende Personen schwächer macht.

 

Idealerweise spiegelt sich dies dann auch in der Unternehmenskultur wider, die
einen generellen Wert auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden
legt. Dazu gehört die wichtige Regel "Wer krank ist, ist krank!", denn
Arbeitnehmende sollten sich auch bei Erkrankungen oder Unwohlsein nicht zur
Arbeit schleppen müssen – hier kommt eine Vorbildfunktion der Führungskräfte zum
Tragen.



Jeder Arbeitsplatz ist je nach Branche und Unternehmen unterschiedlich strukturiert
und erfordert daher eine individuelle Herangehensweise. Während sich Home Office
und flexible Arbeitszeiten im Bürojob gut umsetzen lassen, gestaltet sich dies
beispielsweise im Einzelhandel oder in der Pflege ganz anders. Ein Beispiel für eine
individuelle Lösung ist das Unternehmen Coexist, das auf Menstruationsflexibilität
setzt anstatt auf Menstruationsurlaub. Dabei werden präventiv entsprechende
Strukturen und "Notfallpläne" geschaffen, um den Druck zu vermeiden, an Tagen, an denen es gegen das eigene Wohlbefinden gehen würde, zur Arbeit zu kommen.

 

 

Bleib informiert und achte auf Deine Gesundheit! Wenn du Fragen zu dem Thema hast, freuen wir uns auf deine Kommentare und E-Mails an hello@fembites.com.

 

! Disclaimer: Wenn wir "Frau" schreiben, meinen wir alle Menschen, die einen Zyklus haben.

 

Quellen: 
(1) Länder, in denen Mensurlaub existiert: https://digitalcommons.law.ou.edu/cgi/viewcontent.cgiarticle=2228&context=olr

(2) Umfrage in Japan: https://www.nikkei.co.jp/nikkeiinfo/en/global_services/nikkei-bp/less-than-10-of-female-employees-take-menstrual-leave.html

(3) Vorbehalte ggü Menstruationsurlaub: https://www.researchgate.net/publication/335012319_Taking_leave_to_bleed_Perceptions_and_attitudes_toward_menstrual_leave_policy

(4) Coexist: http://humanisticmanagement.org/cms/knowledge_center/research_papers/downloads/eOandPWinter2018.pdf#page=24

(5) Zomato in Indien: https://www.dw.com/en/menstrual-leave-a-blessing-or-a-curse/a-61783135

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Haftungsausschluss

Dieser Blogpost dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die medizinische Beratung. Konsultiere immer eine Ärztin, wenn du gesundheitliche Bedenken hast.

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